auf dem Jakobsweg

Leben in Freiheit

Mein Jakobsweg

Meine Freundin Doreen O. ruft mich an und sagt zu mir: „Laura, Du musst den Jakobsweg gehen!“ Ich habe keine Ahnung was das ist und höre nur von ihr, dass ich das einfach machen muss. Ich solle nicht fragen, soll es einfach nur tun!

Ich kaufe mir ein Buch über den Jakobsweg und bin erstaunt, dass ich davon noch nie vorher gehört hatte. Die Beschreibung über diesen uralten Pilgerweg fasziniert mich. Ich hole mir noch eine Hör-CD von Paolo Coelho über den Jakobsweg. Das ist aber mehr eine mystische Erzählung, die zwar spannend ist, mir jedoch wenig umsetzbare Hinweise gibt, was für die Planung meines Weges zu beachten wäre. Ich besorge mir einen Wanderführer, worin nicht nur Empfehlungen für die Tagesetappen beschrieben stehen sondern auch ganz praktische Tipps für das Packen des Rucksackes und vor allem, was man garantiert nicht braucht.

Ich spreche mit meinem Freund Karsten darüber. Er unterstützt mich in allen meinen Vorhaben. Er ist ein wunderbarer Freund. Er sagt nie, dass das doch verrückt sei, was ich da vorhabe. Ich will etwas gerne tun und darum unterstützt er mich dabei. So erklärt er sich sofort bereit, meine zwei Hunde und meine beiden Katzen zu betreuen, während ich unterwegs bin.

Ich brauche einen Pilgerausweis, das Credential del Peregrino, um in den Herbergen übernachten zu können.  Den bekomme ich bei meiner Gemeinde in Aschau im Chiemgau. Jetzt wird mir ein bisschen mulmig, als mir die nette Frau vom Amt ein großes Kompliment ausspricht, wie mutig ich sei, diesen Weg zu gehen. Noch dazu alleine! Im Ausweis wird vermerkt, dass ich den Weg zu Fuß gehen würde. Man kann diesen Weg auch per Fahrrad oder per Pferd machen, steht da. Nun, zu Fuß war ich schon immer besser unterwegs, als mit dem Fahrrad. Vielleicht auch deshalb, weil ich nie ein so tolles, super modernes Fahrrad besessen habe. Und Pferd hab ich auch keines. Also klar, dass ich auf meinen Schusters Rappen gehe.

Und so nimmt mein Vorhaben Form an und irgendwie weiß ich gar nicht so richtig wie mir geschieht als ich alles auf dem Tisch ausbreite, was ich so mitnehmen will. Es ist mehr die Kunst des Weglassens gefragt, als die Frage, was ich alles brauche. Ich sollte auf meinem Weg lernen, dass man fast nichts wirklich braucht und dass in der Tat weniger mehr ist.

Ich entscheide mich für den Aragonischen Weg, der in den Pyrenäen am Passo de Somport beginnt – wenn schon, denn schon! – und in 40 Etappen bis Santiago de Compostela führt.

Um 4.30 Uhr klingelt der Wecker. Für mich eine unchristliche Zeit. Ich bin eher eine Eule, denn eine Lärche. Aber heute bin ich hellwach. Sofort! Um 5.30 Uhr holt mich Karsten ab und fährt mich zum Flughafen. Er macht sich nun doch Gedanken und redet auf mich ein, worauf ich unbedingt achten soll und dass ich unbedingt dies und jenes bedenken solle. Das ist gut so, denn ich kann mich nun darauf konzentrieren ihm zu versichern, dass ich schon gut auf mich achtgeben werde und dabei vergesse, wie sehr mir nun doch das Herz in meine Wanderhose gerutscht ist.

Dabei ertappe ich mich schon jetzt bei der ersten Unachtsamkeit: ich gebe meinen Rucksack auf und darin befindet sich mein Handy. Nun gut, so kann ich nicht nochmal meinen Vater anrufen oder meine Freundin Laureen, die jetzt sicher ganz fest in Gedanken bei mir sind. Karsten versichert mir, die beiden anzurufen und ihnen liebe Grüße von mir auszurichten.

Es ist der 27. 04. 04. Dieses Datum hat die Quersumme 8. Jedenfalls wenn ich das Datum so schreibe. Irgendwie beruhigt mich das. Es ist die Lieblingszahl meines Vaters. Es soll eine gute Zahl sein. Ich habe die Begabung, mir alles positiv „hinzubiegen“. Diese Fähigkeit sollte ich  noch oft brauchen, um meinen Weg zu meistern.

Ich fliege nach Madrid und von dort weiter nach San Sebastian. Ich habe immer noch Respekt vor dem Fliegen, bzw. vor dem ganzen Drum Herum, wie umsteigen und das richtige Gate zu finden.  Aber es klappt alles und in meinem mini kleinen Notizbüchlein steht: alles gut geklappt, fühle mich geführt!

Dann habe ich einen kompletten Knick in meinen Hirnwindungen: Ich komme an am Flughafen von San Sebastian, von wo mich eine reizende französische Familie mitnimmt zum Bahnhof von Bayonne. Dort fährt mein Zug ab nach Pau, von wo aus ich Verbindung habe nach Oloron de Sainte Marie, der letzte Ort vor meinem Start Punkt am Passo de Somport.  Ich bin dort um 14.00 Uhr und mein Zug fährt erst um 17.48 Uhr. Wie sollte ich diese Zeit nur überbrücken? Ich bin eingestellt auf gehen und nicht auf warten. Ich wollte jetzt sofort gehen. Einfach nur gehen. Nicht warten! Ich überlege mir folgendes: Wenn der Zug von Bayonne bis Pau nur ca. eine Stunde braucht, dann könne ich diese Strecke genauso gut gehen. Ich wäre dann ungefähr zur gleichen Zeit am Zielpunkt. Welch ein Trugschluss!