Uhaaa, liebe Laura,
diese Leseproben lesen sich so ungemein spannend an – ich kann dein Jakobsweg-Buch kaum noch abwarten… Du reißt mit deinem Schreibstil mich mit! Voll rein!
Ganz liebe Grüßerle
Judith
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Hurra, mein neues Buch ist heute ins Lektorat gegangen. Bald kann es publiziert werden und ich freue mich sehr darüber, dass mein zweites Buch so schnell dem ersten „Der Hintern auf Grundeis, das Herz im Himmel“, das im März diesen Jahres herauskam, folgt.
zur Feier des Tages lade ich Sie ein, hineinzuschnuppern.
Ich habe niemanden ermordet. In Gedanken schon manchmal. Aber Gott sei Dank kam immer etwas dazwischen.Nein, ich habe nicht das Gefühl, pilgern zu müssen, um den Ablass von meinen Sünden zu erlangen. Das war der Hauptgrund, weswegen die Menschen des Mittelalters diesen Weg gingen. Deswegen gehe ich den Jakobsweg nicht. Ich gehe ihn, weil eine Freundin sagt, dass ich ihn gehen soll. Und weil ich aus meiner Depressions-Phase nach meiner Scheidung noch nicht so ganz raus bin. Und weil ich irgendwie auf der Suche bin und nicht weiß, wonach. Und weil ich einen Burnout hinter mir habe. Und weil einfach irgendetwas passieren muss. Auf dem Weg erkenne ich dann, warum ich mich wirklich auf das Pilgern quer durch Spanien eingelassen habe.
Um 4.30 Uhr klingelt der Wecker. Für mich eine unchristliche Zeit. Ich bin eher eine Eule, denn eine Lärche. Aber heute bin ich hellwach. Sofort! Um 5.30 Uhr holt mich Karsten ab und fährt mich zum Flughafen. Er macht sich nun doch Gedanken und redet auf mich ein, worauf ich unbedingt achten soll und dass ich unbedingt dies und jenes bedenken solle. Das ist gut so, denn ich kann mich nun darauf konzentrieren ihm zu versichern, dass ich schon gut auf mich achtgeben werde und dabei vergessen, wie sehr mir nun doch das Herz in meine Hose gerutscht ist.
Dann habe ich einen kompletten Knick in meinen Hirnwindungen: Ich komme an am Flughafen von San Sebastian, von wo mich eine reizende französische Familie mitnimmt zum Bahnhof von Bayonne. Dort fährt mein Zug ab nach Pau, von wo aus ich Verbindung habe nach Oloron de Sainte Marie, der letzte Ort vor meinem Startpunkt am Passo de Somport. Ich bin dort um 14.00 Uhr und mein Zug fährt erst um 17.48 Uhr. Wie sollte ich diese Zeit nur überbrücken? Ich bin eingestellt auf gehen und nicht auf warten. Ich wollte jetzt sofort gehen. Einfach nur gehen. Nicht warten! Ich überlege mir folgendes: Wenn der Zug von Bayonne bis Pau nur ca. eine Stunde braucht, dann könne ich diese Strecke genauso gut gehen. Ich wäre dann ungefähr zur gleichen Zeit am Zielpunkt.
Welch ein Trugschluss! Ich gehe! Nur, hier gibt es noch keinen Jakobsweg mit gelben Pfeilen, die mir die Richtung weisen. Ich gehe auf einer ziemlich befahrenen Landstraße. LKW-Fahrer hupen und fahren dicht an mir vorbei. Das hatte ich im Jakobsweg-Führer gelesen, dass sich die LKW-Fahrer einen Scherz daraus machen, Pilger zu „jagen“. Es ist anstrengend.
Nachdem ich schon zwei Stunden unterwegs bin frage ich einen Passanten, wie weit ich noch bis Pau hätte. Ich verstehe nicht alles, was der nette französische Herr mir sagt, aber doch so viel, dass ich das unmöglich vor Einbruch der Nacht schaffen könne. Nun versuche ich mein Glück mit trampen.
Irgendwann habe ich das Glück mitgenommen zu werden. Ein Franzose mittleren Alters, dem ich mit Händen und Füssen und meinem Schul-Französisch versuche zu erklären, wohin ich müsse, hatte angehalten. Ich habe keine Ahnung, wo ich mich befinde. Und ich habe keine Ahnung, wohin dieser nette Herr, er stellt sich vor als Franc, fährt. Wie auch immer, er nimmt mich mit. Ich führe einen inneren Dialog mit Santiago: „ Du, lieber Santiago, ich gehe Deinen Weg, also pass bitte auf mich auf und führe mich richtig!“
Santiago sollte noch öfter auf mich aufpassen müssen!
Franc fragt mich, ob ich verheiratet bin und warum ich hier alleine unterwegs sei. Ich fühle mich nicht mehr so wohl. Die Richtung der Unterhaltung gefällt mir gar nicht. Ich betone, dass ich verheiratet bin, einen Sohn habe, den ich ja wirklich habe, und erzähle munter drauf los von Daniel und meinem Mann. Das „Ex“ von Ex-Mann lasse ich vorsorglich unter den Tisch fallen.
Meine Kehle schnürt sich zu, als Franc erklärt, er müsse nur noch etwas bei einer befreundeten Familie abgeben, dann würde er mich nicht nur bis Pau, sondern gleich bis Oloron Sainte Marie fahren. Der Weg biegt ab von der Hauptstraße in eine kleinere Nebenstraße und diese führt (oh, mein Gott!) in einen Waldweg. Ich bete zu Santiago. Ja, ich schreie innerlich zu Santiago, mich doch jetzt nicht allein zu lassen. Wir fahren ein langes Stück im Wald und ich fühle, wie Panik in mir aufsteigt.
Der Bus hält genau auf der Passhöhe. Es liegt Schnee. Doch nun fängt es an zu regnen. Es ist kalt hier oben auf 1632 Meter über dem Meeresspiegel. Auf einem km-Stein steht: „858 km Santiago“ und blau-gelbe Hinweisschilder zeigen den Beginn des Aragonischen Weges an. Die Etappe vom Somportpass nach Jaca ist nicht nur lang – eine der längsten auf dem Jakobsweg – und anstrengend, sie ist auch die erste. Mein Rucksack ist schwer, die Hände, trotz Handschuhen, eiskalt und der Regen peitscht mir ins Gesicht. Ich stapfe durch den Schnee und denke mir immer wieder: „Warum tust Du Dir das an, Laura?“ …..
Wir kommen an einen breiten, reißenden Gebirgsbach, den Río Juez, der jetzt Hochwasser führt vom schmelzenden Schnee. Es gibt keine Brücke, nur eine Furt. Diese wird über unterschiedlich hohe Trittsteine begangen, die im Abstand von ca. einem halben Meter über den Fluss führen. So steht es in meinem Führer. Es steht aber auch drin, dass diese Furt bei Hochwasser nicht passierbar ist. Jetzt sind die Trittsteine umspült von gurgelndem Wasser.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Lt. Karte gibt es einen Umweg von ca. fünf Kilometern, diesen wählt Bernd und fordert mich auf, mit ihm zu gehen. El Brasilero nimmt die zweite Variante. Er springt von Stein zu Stein über den Fluss und winkt von drüben aufmunternd zu mir herüber. Ich denke fieberhaft nach. Ein Umweg von fünf Kilometern bedeutet eine Stunde länger zu marschieren. Da die erste Etappe sowieso schon 30 km lang ist und mit achteinhalb Stunden angesetzt ist, kann ich mir das nicht vorstellen. Also, muss ich über den Fluss. Ich steige auf den ersten Stein, nehme meine Wanderstöcke quer vor die Brust, um wie auf einem Hochseil zu balancieren.
Hinter mir höre ich Bernd schimpfen, wie leichtsinnig das sei und dass ich sofort umkehren solle. Ich spüre in mich hinein. Es ist richtig so, fühle ich, und mache einen großen Schritt auf den nächsten Stein. Alles ist glitschig und unter mir gurgelt das Wasser und bildet Strudel, die mir klar machen, dass ich auf keinen Fall da hinein fallen darf! Würde ich abrutschen und im Fluss landen, wären nasse Klamotten die geringste Sorge, die ich dann hätte, so wild wie das Wasser tost. Vor allem die kantigen Felsbrocken, an denen das Wasser hochspritzt, wenn es dagegen platscht, machen mir Sorgen.
Santiago hilf! Ich erreiche den nächsten Stein. Ich schaue nach unten in die Schaumkronen, was sich als Fehler herausstellt, weil ich sofort die Balance verliere. Ich rudere mit beiden Armen und den Stöcken und springe ohne Nachzudenken auf den nächsten Stein. Nun bin ich in der Mitte des Flusses und es gibt nur noch eine Richtung: ………
Uhaaa, liebe Laura,
diese Leseproben lesen sich so ungemein spannend an – ich kann dein Jakobsweg-Buch kaum noch abwarten… Du reißt mit deinem Schreibstil mich mit! Voll rein!
Ganz liebe Grüßerle
Judith