Singapur – Malaysia

FORTSETZUNG VON: „Die Krankenhäuser Malaysias sind anders“

Am nächsten Morgen geht es mit allem Gepäck zum nahe beim Hotel gelegenen Busbahnhof. Wir haben Glück und erreichen am Ziel trocken einen Unterstand. Ein unglaublicher Donnerschlag kündigt einen heftigen Regenguss an. Ich habe das Glück und sehe auch noch den direkt vor mir aufzuckenden Blitz. Ich liebe Gewitter. Nur dieser Donnerschlag, der sofort auf den Blitz folgte, liess auch mich zusammenschrecken. Es folgt einer dieser heftigen Regengüsse, die wir hier nun schon ein paar Mal mit erlebten, die genauso schnell vergehen, wie sie kommen.

Unser Bus kommt und wir machen es uns, so gut es geht, bequem. Eine 9,5 Stunden Reise liegt vor uns. Die Fahrt verläuft ruhig, nachdem wir den morgendlichen Stau Singapurs hinter uns gelassen haben. Wir überqueren eine große Brücke und erreichen schnell die Grenze Singapur/Malaysia.

Jetzt also sind wir in Malaysia.

Anfangs schaue ich noch neugierig aus dem Fenster, um dieses für mich neue Land zu erkunden. Kilometerlang sehe ich nichts anderes als Palmen-Plantagen. Ja, das habe ich schon gehört, dass Malaysia hauptsächlich vom Palmöl lebt. Die erhöhte Nachfrage Europas nach Bio-Diesel kommt in diesem südostasiatischen Staat gut an. Palmöl aus Malaysia wird auch vielen Nahrungsmitteln und Kosmetikartikeln beigefügt. Und ich sehe es nun wirklich vor mir: Es scheint nichts anderes zu geben auf unserer langen Reise durch Malaysia als endlose Palmen-Plantagen.

Erst als wir an Kuala Lumpur vorbei kommen, gibt es wieder Zivilisation und ein gut ausgebautes Straßennetz. Leider erhaschen wir diesmal noch keinen Blick auf die Petronas-Towers.

Nach wirklich langen neuneinhalb Stunden kommen wir in unserem Swiss Garden Resort, Damai Laut, unserem Warrior Camp, an.

Nach der Anmeldung und einem schnellen Essen geht es schon los mit der ersten Seminar-Einheit. Schnell wurde mir klar, dass dieses ein ganz besonderes Seminar war. Ein enlightened Warrior zu sein, verlangt höchste Verantwortlichkeit und Verpflichtung.

Ich werde nun nicht aus dem Nähkästchen plaudern, was auf diesem Camp so alles passierte und was wir alles erlebt haben. Denn alle nachfolgenden Teilnehmer sollen genauso wie wir, dieses Überraschungs-Moment erleben und sich unvoreingenommen auf den Prozess einlassen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich diese Erfahrung zu gönnen. Ich habe viel über mich selbst gelernt, habe erkannt, wo ich noch weit weg von jeglicher „Erleuchtung“ bin und auch, dass ich schon viel von einer Kriegerin hatte, bevor ich überhaupt hierher nach Malaysia kam. Sich auf solch eine Reise einzulassen, „nur“ um an einem 5 tägigen Seminar teilzunehmen, dazu braucht es schon einiges an „Warrior-Qualitäten“.  Jedoch glaube ich auch, dass es ein lebenslanger Prozess ist, eine „erleuchtete Kriegerin“ zu sein.

Das Gelernte konnte ich dann auch gleich „im richtigen Leben“ einsetzen. Zum Ende des Seminars erlebte ich auf anschaulichste Weise die beiden Seiten des Yin und Yang, die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Ich fühlte mich so großartig und stark, ja fast unbesiegbar, nach all den wunderbaren Trainings-Einheiten. Was sollte mich noch stoppen auf meinem Weg. Nach der letzten outdoor-Aktivität am letzten Seminartag brach ich nach dem Duschen einfach zusammen.  Ich ließ mich gerade noch auf das Bett fallen und wunderte mich über diesen abrupten „Szenenwechsel“. Gerade eben war ich noch so kraftvoll, aktiv und voller Elan zurückgekommen ins Hotel, begrüßte meinen Mann mit einem beschwingten „high five“ und rannte ins Zimmer, um zu Duschen.  Und nun lag ich auf dem Bett und fühlte die Lebenskraft aus mir hinaus rinnen. Ich weiß nicht, wie lange ich so da lag, mit mir kämpfte, aufzustehen, als mein Mann ins Zimmer kam. Ich bat ihn, mich in den Seminarraum zu führen. Ein enlightened Warrior gibt nicht auf. So schlich ich langsamst, auf den Arm meines Mannes gestützt, zum Seminarraum. Dort formierten sich alle gerade für das Gruppenfoto. Ich wollte unbedingt dabei sein und so trug man mich zu der Gruppe und zwei wunderbare Frauen stützten mich, weil ich nicht mal mehr alleine sitzen konnte. Nach dem Foto Shooting wurde ich auf einer, inzwischen hereingebrachten Trage hinausgebracht in die Krankenstation. Ich konnte keinen Arm heben, kaum sprechen und verstand die Welt nicht mehr. Ich wurde sofort an den Tropf gehängt und untersucht. Als nach mehreren Stunden keine Besserung eintrat, ich anfing, mich krampfartig zu übergeben und die Ärzte dringend eine Blutuntersuchung anordneten,  wurde ich im Krankenwagen zum nächst gelegenen Krankenhaus gefahren. Soweit hatte ich meinen Humor noch nicht verloren, als ich mich von der Crew flüsternd mit den Worten verabschiedete: „I am a Warrior! Auch wenn es gerade nicht danach aussieht!“

Auf dieser Fahrt würden auch Gesunde krank.  Eine Federung war entweder nie eingebaut in diesen Krankenwagen oder sie hatte seit Jahren ihren Dienst aufgegeben. Die Straßen glichen einer Piste und so warf es mich auf der Trage hin und her und ich wusste nicht, wie ich das alles überstehen sollte. Nach einer Fahrt von einer halben Stunde (gefühlte 3 Stunden!) kamen wir in der Klinik an. In der Notaufnahme wurde ich auf eine Krankenhausliege gehievt und sofort ans EKG angeschlossen. Es war ein reges Treiben. Menschen gingen geschäftig hin und her, so viele Ärzte und Schwestern  kümmerten sich um mich, dass ich bestimmt 7-mal erzählen musste, was vorgefallen war. Es fiel mir alles schwer. Das sprechen, das herumdrehen und vor allem, das zur Toilette „gehen“ mit dem Rollstuhl. Darauf bestand ich jedoch, weil ich auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen katheterisiert werden wollte, was die Ärzte ursprünglich anordneten. Inzwischen war das schubweise auftretende Übergeben zur reinen Qual geworden. Tapfer hielt mein Mann die Spucktüte und meinen Kopf. Ab jetzt wusste ich was es heißt, wenn sich jemand die Seele aus dem Leib kotzt. Die Krämpfe schüttelten mich und die Töne, die ich von mir gab, hatte ich selbst noch nie gehört.

Jede leere Flasche wurde sofort ersetzt und man spritzte mir verschiedene Medikamente. Mein Mann achtete darauf, dass wirklich immer neue Spritzennadeln verwandt wurden.

Dann, nach mir endlos scheinender Wartezeit, wurde ich auf ein Zimmer geschoben. Dieses Krankenzimmer war für mich eine wirklich neue Erfahrung. Es glich eher dem, wie ich mir ein Lazarett vorstelle, denn einem „normalen“ Krankenhauszimmer. Es war ein Zimmer in dem dicht an dicht 10 Betten standen. Es gab Zwischenwände, aber keine Türen. Es fehlte praktisch die Wand, die ein Zimmer vom Gang trennen würde. So liefen alle Menschen durch dieses Krankenzimmer. Auch die Besucher, der weiter hinten gelegenen Zimmer. Um einige Betten gab es Vorhänge, die zugezogen wurden, wenn eine intensivere Untersuchung der jeweiligen Patientin nötig war. Es waren ständig mindestens 3 Ärztinnen, 2 Ärzte und 4 Schwestern anwesend und untersuchten im ständigen Wechsel alle Kranken. Hier schienen die Frauen das sagen zu haben. Drei Oberärztinnen, in schönen Gewändern unter dem doch eher schäbigen, ehemals weissen Kittel, gaben Anordnungen, denen sofort nachgegangen wurde. Mich mutete es eigenartig an, dass fast alle Frauen verschleiert waren. Die Ärztinnen mit wunderschönen Tüchern, die Schwestern mit weißen Tüchern unter weißen Kappen.  An jedem Krankenbett saßen Angehörige. Auch in der Nacht war an jedem Bett eine Frau, die ständig zur Stelle war, sollte die Kranke etwas benötigen. So etwas wie Besuchszeiten gab es dort nicht. Da mein Mann spät abends zurück ins Hotel fuhr, um die Koffer zu packen und die verspätete Weiterreise nach Singapur zu organisieren, war ich die einzige Patientin im Raum, die niemanden am Bett sitzen hatte. Ich konnte nach wie vor nicht alleine zur Toilette gehen und war auf Hilfe angewiesen.  Die Angehörigen der anderen Patientinnen kümmerten sich rührend um mich. Die Verständigung erfolgte mit Händen und Füssen. Nur die Ärzte und Krankenschwestern sprachen alle Englisch.

Auch nachts kam die Visite. Das Licht wurde nicht gelöscht. Irgendwo piepste es ständig. Auch andere Kranke mussten sich übergeben. Man bekam alles mit, auch aus den benachbarten Zimmern. Die medizinische Versorgung allerdings war, soweit ich das beurteilen konnte, hervorragend. Liebevoll wurde mir alles erklärt, was mit mir gemacht wurde. Hochmoderne medizinische Geräte passten irgendwie nicht in dieses, für mich fremdartige, Bild.

Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Ja, ich war tapfer und fügte mich in diese Situation. Ich betete nur, dass ich nicht irgendeine schwere tropische Krankheit erwischt haben möge. Ich wandte das gelernte Wissen an und sagte mir immer wieder: „Nicht nachdenken, Laura, nur im Augenblick sein. Don’t think! Don’t think!“ Und es gelang mir, etwas zu schlafen, trotz dem Trubel, der auch nachts nicht endete.